Kruso by Lutz Seiler

Kruso by Lutz Seiler

Autor:Lutz Seiler [Seiler, Lutz]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: suhrkamp
veröffentlicht: 2014-09-04T22:00:00+00:00


Dostojewski

Wenn Ed vom Meer in den Abwasch zurückkam, sangen ihm die Ohren. Es ähnelte einer kleinen Sirene, direkt im Kopf, aber er blieb ruhig und nahm seine Arbeit wieder auf; er machte ein paar Gegengeräusche mit Tellern und Besteck, und nach einer Weile ließ es nach.

Noch mehr als Pfannen hasste Ed die großen Schöpfkellen. Er hätte nicht sagen können, warum, aber inzwischen war es eine ausgewachsene Feindschaft. Verächtlich schleuderte er sie ins Becken und stieß mit der Faust in ihren öden Löffel, hektisch, viel zu ungestüm und ohne genauer hinzusehen. In der Regel war es nur eine Frage der Zeit, bis es der Kelle unter Ausnutzung ihrer ganzen Heimtücke (und des Hebelgesetzes) gelang, Ed den meterlangen Aluminiumstiel mit dem kleinen hässlichen Haken ins Gesicht zu schlagen. Wie ein prähistorisches, schon vor Jahrhunderten für ausgestorben erklärtes Reptil schoss die Kelle aus dem dünn mit fettiger Schaumhaut bedeckten Waschwasser hervor und spritzte ihm ätzende Brühe in die Augen. Blind fluchend, fuchtelte Ed mit den Händen durch die Luft – gleichzeitig traf ihn der Schlag.

»Das dumme Schwein!«, brüllte Ed. Es war eine Kränkung ohnegleichen.

Oft waren die Außenseiten der Schöpflöffel geschwärzt, als hätte man sie direkt ins Feuer gehalten, um irgendeinen Sud zu brauen, eines von Krusos magischen Giften vielleicht für die heilige Suppe – »verdammter Schamane«, brabbelte Ed und schrubbte auf dem Aluminium herum.

Inzwischen war es wieder wärmer und die Luft im Abwasch schwerer und stickiger geworden. Ein scharfer Dunst stieg auf aus dem Becken, in dem seine Hände wühlten, das Spülmittel brachte seine Schleimhäute zum Glühen. »Verdammter Schamane, verdammte Nachtgestalten hier …« Ed hatte Angst, im Nebel der Ausdünstungen das Bewusstsein zu verlieren. Seit sein Zimmer zu Krusos Verteiler gehörte, war er wie betäubt von Müdigkeit. »Schöpfung, Schöpflöffel, Erschöpfung«, summte es in seinem Schädel, halblaut fluchte Ed vor sich hin, es gärte und ätzte in ihm, er wurde fordernd und böse, eine Auseinandersetzung, die längst fällig war: »Was für verdammte Kräuter, Losch, und überhaupt, wozu diese stinkende Suppe, wozu diese römischen Gespenster im Abwasch …« Unter den Eingebungen des Spülmittels und gezeichnet vom Abdruck des kleinen hässlichen Hakens an seiner Schläfe (die Kelle, das Schwein, hatte Ed ihren Stempel aufgedrückt), verkündete er Kruso, dass er am Ende sei, und zwar absolut. Bewusstlos starrte Ed in sein Becken. Ein Teller trudelte zu Boden, und für einen Moment sah er C. als eine Art Geschirr – rund, glänzend, er sah ihre Stirn und seinen Schaum darauf, ein helles feuchtes Etwas, das ihr ins Haar und in die Augen lief und abgewischt werden musste.

Nach Dienstschluss konnte es Stunden dauern, bis sich der Schwindel legte.

Ed fragte sich, wie es die anderen machten, Chris oder Cavallo, wie sie es schafften, ungerührt am Frühstückstisch zu sitzen, während er dumpf und hohläugig auf sein Marmeladenbrötchen starrte oder versuchte, einen Blick von Kruso zu erhaschen; nur mit Mühe widerstand Ed der Verlockung, seinen Kopf auf den Personaltisch zu legen. Im Grunde konnte es nur eine Erklärung geben: Sie schliefen. Sie waren das alles längst gewöhnt, Krusos System. Abgesehen von Rolf



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